Andacht in der Passionszeit: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

„Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16, 33)

Dieser Vers fasst die Abschiedsreden Jesu zusammen. Er bereitet seine Jünger auf seinen schmerzlichen Abschied vor. Wie ein guter Vater erklärt er ihnen, wie sie ihr Leben weiterführen sollen, wenn er nicht mehr bei ihnen ist.

Bis jetzt hatten die Jünger auf den sichtbaren Jesus vertraut. Schritt für Schritt waren sie ihm gefolgt. Er war immer bei ihnen gewesen. Der enge Kreis der Jünger war von seinem Wesen und seinen Worten gleichermaßen fasziniert. Jesus war ein Freund des Lebens und ergriff Partei für die Schwachen und Armen in der Gesellschaft. Bei ihm stimmten Wort und Tat überein. Was er sagte, das tat er auch. So entwickelte sich ein tiefes Vertrauen zwischen Jesus und seinen zwölf Jüngern.

Jesus befürchtete zu Recht, dass seine Jünger nach seinem Tod am Kreuz in Verzweiflung geraten, sich allein und orientierungslos fühlen würden. Deshalb bereitete er sie darauf vor, nach seinem Weggang ein selbstständiges Leben im Glauben zu führen. Sie sollten beginnen, mit seinem Vater, dem unsichtbaren Gott, zu reden. Sie sollten dem unsichtbaren Heiligen Geist, dem Tröster, folgen. Doch alles Unsichtbare ist schwer zu erfassen und zu glauben. Diese Not im Glauben erkannte Jesus unter den Seinen.

Darum versprach er ihnen, einen anderen Tröster zu senden, und lehrte sie, dass sie Gott, den Vater, in seinem Namen um alles bitten dürften. Gott würde sie nicht allein lassen, sondern bei ihnen sein und sie in der Wahrheit leiten – ähnlich wie eine Mutter ihr Kind begleitet: unsichtbar, aber dennoch in enger Gemeinschaft. Der Heilige Geist würde ihnen dabei helfen.

Das war für die Jünger zu viel. Sie konnten nicht begreifen, was Jesus ihnen sagte. Sie ahnten nicht, dass sie zu Zeugen und Aposteln Jesu Christi werden sollten. Aus einst Hörenden sollten Missionare werden, die das Evangelium vielerorts verkündigten. Die Zusage Jesu, dass sie in ihm Frieden finden und keine Angst haben mussten, konnten sie nicht verstehen.

„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Jesus leugnete nicht, dass die Jünger Angst haben würden. Dennoch wollte er sie nicht aus der Welt nehmen, sondern als Zeugen und Evangelisten in die Welt senden. Noch war er nicht gekreuzigt und auch nicht auferstanden, und doch sagte er: „Ich habe die Welt überwunden.“ In seinen Abschiedsreden sprach er über Kreuzigung und Auferstehung, als seien sie bereits vollendet.

Gerade das bereitete den Jüngern die größten Schwierigkeiten. Sie konnten nur glauben, wenn sie etwas mit eigenen Augen gesehen hatten: wenn Jesus Wunder tat, den Sturm auf dem See stillte, Menschen heilte oder 5.000 Menschen speiste.

Christus im Sturm auf dem See Genezareth (Rembrandt)
Christus im Sturm auf dem See Genezareth (Rembrandt)

„Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Wir können uns an dieser Verheißung Jesu festhalten. Wir selbst können die Welt nicht überwinden, nicht alles ins Lot bringen – aber wir können darauf vertrauen, dass Jesus die Welt überwunden hat.

In der Welt haben wir Angst, aber wir dürfen getrost sein, weil Jesus letztendlich der Herr über die Welt ist. In ihm können wir Frieden finden, egal was auch kommen mag. Vieles kann uns belasten und traurig machen, aber wir dürfen gewiss sein: Jesus hat uns seine Verheißung gegeben. Er spricht: „Ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.“

Amen.


Gebet

Gott, unser Vater, wir schauen auf den Weg, den dein Sohn Jesus gegangen ist. Wir sehen auf sein Kreuz und erkennen das Heil, das uns durch seinen Gehorsam zuteil wurde.
Du hast Jesus Christus zur Erlösung aller Menschen gesandt, und wir begreifen dies als Geheimnis deiner Liebe zu uns.
Herr Jesus Christus, dein Kreuzweg schenkt uns Weite. Dein Leiden tilgt unsere Schuld. Dein Sterben schenkt uns Leben.
Hilf uns, an die Liebe zu glauben, die alles verwandeln kann. Schenke uns ein mitfühlendes Herz, das Not erkennt, Hilferufe hört und Unrecht beim Namen nennt.
Lehre uns in diesen Tagen neu, deinen Kreuzweg zu betrachten, dein Leiden zu verstehen und dein Sterben dankbar anzunehmen.

Amen.

Pfarrer Karsten Matthis